Review< Zurück 11.10.2010
Von Max Werschitz
Genie, Verräter, Punk – was ist Mark Zuckerberg, Begründer von Facebook und jüngster Milliardär aller Zeiten, wirklich? Ausgehend von Ben Mezrichs (großteils) dokumentarischem Buch 'The Accidental Billionaires' haben sich Drehbuchautor Aaron Sorkin und Regisseur David Fincher auf zwei filmische Fragestunden eingelassen.
Am Campus von Harvard, Ende 2003. Der 19jährige Student Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg), soeben von seiner Freundin abserviert, bringt mit seiner auf gehackten Fotos von Komilitoninnen basierenden Website 'FaceMash' die Uni-Server zum Absturz und verschafft sich neben jeder Menge Ärger auch die erwünschte Portion Bekanntheit. Prompt wird er von den Winklevoss-Zwillingen, zwei äußerst gut trainierten, gut betuchten und gut vernetzten Vorzeigestudenten, für ihr neues Projekt angeheuert: HarvardConnection.com, eine Website die alle Studierenden der Uni online und in Verbindung bringen soll. Zuckerberg ist von der Idee sofort fasziniert, und fühlt sich sichtlich geschmeichelt von zwei so prominenten Vertretern der elitären Harvard-Clubs um Hilfe gebeten zu werden. Er sagt zu und macht sich an die Arbeit – jedoch nicht für lange. Rasch erkennt er das wahre Potential des Projekts und beschließt es unter dem Namen thefacebook.com auf eigene Faust durchzuziehen. Einer der wenigen Leute die eingeweiht werden ist sein Freund Eduardo Saverin (Andrew Garfield), der mit dem Finanzmanagement beauftragt wird. Als die Website im Februar 2004 für alle Harvard-StudentInnen online geht ist sie in kürzester Zeit ein Riesenerfolg. Die Phrase "facebook me" wird zum geflügelten Wort, und endlich fliegen Mark und Eduardo auch die heißen Mädls zu. Weniger zärtlich sind da die Winklevosses, die Zuckerberg bis zuletzt im Glauben gelassen hatte er würde eigentlich an ihrer Website arbeiten. Und während Facebook, teils unter den Zuflüsterungen von Napster-Begründer Sean Parker (Justin Timberlake), unaufhaltsam expandiert, verschlechtert sich auch Marks Beziehung zu Eduardo. Und so hat er schließlich nicht nur plötzlich ein Multimilliardenunternehmen, sondern auch zwei Klagen am Hals.
The Social Network ist in mehrere sich überlappende Erzählstränge geteilt – die Ereignisse rund um die Entstehung von Facebook werden regelmäßig von Szenen der späteren aussergerichtlichen Befragungen Zuckerbergs, Saverins und der Winklevosses unterbrochen und durch sie vorbereitet, kommentiert und ergänzt. Dadurch ergibt sich ein, auch wenn the real Mark Zuckerberg sich insgesamt als angepatztes Opfer sieht, durchaus vielschichtiges Bild der Begebnisse und Beteiligten. Aaron Sorkin (A Few Good Men, Charlie Wilson's War, The West Wing) hat mit The Social Network ein praktisch makelloses Drehbuch abgeliefert, und beweist dass man keine Actionszenen oder Special Effects benötigt um eine ebenso hochdramatische wie stellenweise hochamüsante Geschichte zu erzählen. Regisseur David Fincher (The Game, Seven, Fight Club) wiederum setzt dieses in atmosphärisch kompakte Bilder um die trotz der Dialoglastigkeit unglaublich rasant durch die Handlung führen. Die Leistung des Schauspielerensembles, allen voran Jesse Eisenbergs überzeugend eiskalte Performance, fügt sich nahtlos in die Gesamtästhetik ein. Hervorragend ist auch der Soundtrack von Trent Reznor und Atticus Ross (Nine Inch Nails).
Als Mark Zuckerberg von David Finchers Plänen erfuhr meinte er gegenüber der Presse dass er "sich einfach nur wünsche niemand würde einen Film über ihn machen solange er noch am Leben ist." Das ist durchaus nachvollziehbar – aber entbehrt angesichts dessen was seine Kreation in den letzten Jahren so alles sowohl medial als auch sozial bewirkt hat nicht einer gewissen Ironie. So wie das Gesamtprojekt Facebook voller kleiner und großer Ironien steckt, und dies wird in Finchers Film hervorragend herausgearbeitet. Große Ironie Nummer 1: Facebooks Grundgedanke war ursprünglich Exklusivität, nicht Totalverfügbarkeit. Glaubt man dem Film, so war der unscheinbare Computernerd Zuckerberg regelrecht besessen davon in die elitären Kreise seiner Alma Mater, vor allem die restriktiven Clubs, aufzusteigen. Und er legte dementsprechend das Grundkonzept der Website an – ohne Harvard-EMail-Adresse keine Anmeldung bei Facebook. Große Ironie Nummer 2: Facebook verbindet heute weltweit über 500 Millionen Menschen die mehr oder weniger bewusst ihr Privatleben virtuell nach aussen kehren, und wurde dabei von einem verschrobenen Einzelgänger entwickelt. In Aaron Sorkins Drehbuch kommt Zuckerberg zwar als hochintelligent, kreativ und äußerst zielstrebig rüber, am auffälligsten sind jedoch die fast schon autistischen Züge die seine Persönlichkeit prägen. Dies wird besonders in der ersten Szene des Films deutlich, als Zuckerberg von seiner Freundin abserviert wird, und dabei wie ein trotziges aber im Grunde genommen hilfloses Kind wirkt.
Ich bin überzeugt davon dass Fincher den Titel des Films mit Bedacht gewählt hat. Das mag jetzt seltsam klingen, schließlich ist "The Social Network" scheinbar das Naheliegendste wenn man wenig prickelnde Varianten wie "The Facebook Movie" vermeiden will. Doch Fincher hätte ja auch bei Mezrichs Buchtitel "The Accidental Billionaires" bleiben oder z.B. in die Richtung "The Mark Zuckerberg Story", oder "500 Million Friends" gehen können. Die Möglichkeiten waren fast unbegrenzt. Warum er das, so vermute ich, nicht getan hat? Weil "The Social Network" weniger Facebook meint, als das tatsächliche soziale Netzwerk das jemanden wie Mark Zuckerberg und dessen Errungenschaften hervorgebracht hat. Fincher gelingt es in knapp zwei Stunden nicht nur ein Portrait des jüngsten Milliardärs aller Zeiten zu zeichnen, sondern eine psychologische Bestandsaufnahme der menschlichen Welt an sich abzuliefern. In eine moderne Schöpfungsgeschichte verpackt zeigt er um was es im Leben geht: den eigentlich schizophrenen Wunsch Teil einer Gruppe zu sein, und dabei doch etwas ganz Besonderes. Für mich ist Finchers und Sorkins Zuckerberg der klassische Außenseiter auf der Suche nach Sein, Schein und Sex der sein Umfeld, die feudal strukturierte Leistungsethikwelt einer Elite-Uni, ebenso verabscheut wie er sich wünscht ein Teil ihrer zu werden. Am Ende hat er scheinbar seinen Weg abseits der vorgegebenen Pfade gefunden, sein eigenes, wenn auch virtuelles, soziales Netzwerk aus dem Boden gestampft, und sich zu dessen Herrscher gekrönt. Und dennoch wirkt er in der letzten, herrlich pointierten Szene (doch die sei hier nicht verraten) noch genauso trotzig und hilflos wie am Anfang.
Wer oder was ist also Mark Zuckerberg? Ein Genie? Zumindest ein hochbegabter Mensch mit der nötigen Portion Ehrgeiz auch etwas aus seinem Talent zu machen. Ein Verräter? Wohl eher ein klassischer Egoist mit leichten Anflügen von Paranoia. Ein Punk? Wenn ja, dann der opportunistischste Punk aller Zeiten.
Meine Wertung: |
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Filme gehören besprochen. Kinomo! Du fängst an!